Der Trend zur Ausweitung der Videoüberwachung ist ungebrochen. Daher bleibt das Thema einer der wichtigsten Schwerpunkte in der Arbeit der Datenschutzbehörden, sei es in ihrer datenschutz-rechtlichen Bewertung, sei es in der datenschutzpolitischen Diskussion. Dabei bezieht sich die Ausweitung nicht mehr nur auf die jährlich steigende Anzahl der Überwachungskameras in Deutschland, sondern als Ergebnis eines fortwährenden technischen Fortschritts auch auf die Verbreitung neuer Arten von Kamera-Systemen.
Videoüberwachung und das Datenschutzrecht
(Auszug BfDI; Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit)
Obwohl die zunehmende Verwendung dieser Überwachungssysteme weitgehend als selbstverständlich wahrgenommen wird, ist sie aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht unproblematisch. Sei es, weil die Kontrolle über das eigene Bild nicht mehr vollständig gegeben ist oder weil auch unverdächtige Personen im Wissen um die dauernde Aufzeichnung ihr Verhalten vorauseilend verändern, jede Videoaufnahme stellt grundsätzlich einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Bürgers dar. Daher sind rechtlich hohe Anforderungen an die Videoüberwachung zu stellen, damit ihre Ziele in einer Art und Weise erreicht werden können, die die Grundrechte so weit wie möglich schonen.
Maßgeblich hierfür sind die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Die DSGVO enthält größtenteils keine speziellen Ausführungen zur Videoüberwachung. Vielfach kann jedoch auf Konzepte zurückgegriffen werden, die bereits vor Inkrafttreten der DSGVO entwickelt wurden. Zu den üblichen rechtlichen Anforderungen zur Durchführung von Videoüberwachung durch Bürger, private Unternehmen sowie die meisten Behörden gehören insbesondere folgende Merkmale:
Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. e), f) DSGVO hat der verantwortliche Betreiber zunächst einen privilegierten Zweck mit der Videoüberwachung zu verfolgen. Ein solcher liegt u. a. bei der Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, bei der Wahrnehmung des Hausrechts oder bei der Wahrnehmung berechtigter Interessen für weitere konkret festgelegte Zwecke vor.
Mit dem Merkmal der Aufgabenerfüllung durch öffentliche Stellen sind gerade keine Sicherheitsbehörden gemeint, da es für Polizei und Geheimdienste eigene, spezielle Rechtsgrundlagen gibt. Das Merkmal des Hausrechts umfasst als spezifische Ausprägung des berechtigten Interesses insbesondere den Schutz des eigenen Objektes, sei es das Behörden- oder das Fabrikgelände.
Neben diesen beiden Merkmalen spielt das "berechtigte Interesse" eine überragend wichtige Rolle. Soweit ein legitimes eigenes Interesse des für die Videoüberwachung Verantwortlichen vorliegt, darf dieses nicht von den schutzwürdigen Interessen der Beobachteten überwogen werden. Die Feststellung, welches Interesse im Einzelfall schwerer wiegt, bleibt daher von großer datenschutzrechtlicher Bedeutung und wird weiterhin Thema von aufsichtsrechtlichen Prüfungen sein. Zusätzlich muss die Videoüberwachungsanlage auch geeignet für die Erreichung des Zwecks sein sowie das mildeste aller zur Verfügung stehenden Mittel darstellen.
Wenn die geplante Videoüberwachung diesen Anforderungen gerecht wird, treffen den Verantwortlichen jedoch noch weitere Pflichten. Die Speicherung der Videoaufnahmen muss auf das notwendige Maß begrenzt sein und auf den Umstand der Überwachung muss frühestmöglich hingewiesen werden.
Diese Pflichten werden bei vielen neueren technischen Entwicklungen wie Dash-Cams und Drohnen in der Regel nicht ausreichend berücksichtigt. Häufig wird dauerhaft, wahllos sowie unbegrenzt aufgezeichnet und gespeichert, ohne darauf zu achten, ob dies wirklich notwendig ist. Zudem sind Hinweise auf die Aufzeichnung entweder kaum erkennbar oder erst gar nicht vorhanden.
Löschpflichten für Videoaufzeichnungen
Nach Meinung der Aufsichtsbehörden ergibt sich eine maximale Speicherdauer von 48 bis 72 Stunden. Diese Auffassung führt jedoch in der praktischen Umsetzung immer wieder zu Schwierigkeiten. Ein Einbruch am Karfreitag würde aufgrund der Feiertage eventuell erst am Dienstag nach Ostern entdeckt und wäre aufgrund einer automatischen Löschung nach 72 Stunden nicht mehr aufzuklären. Laut OVG Lüneburg ist eine Speicherung von Videoaufzeichnung bis 10 Tage statthaft.
Grundsätzlich sind Videoaufzeichnung unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen. Die o.g. Löschfristen entfallen, wenn die Aufzeichnung mit einer gespeicherten Straftat in Zusammenhang stehen und zur Aufklärung der Strafvollzugsbehörden übermittelt werden.
Überwachung des Unternehmensgeländes (Außenbereich)
Eine Überwachung des Außenbereichs eines Unternehmens ist grundsätzlich einfacher möglich als eine Überwachung von Innenbereichen: Arbeitnehmende werden hier in der Regel nur kurzzeitig erfasst. Zudem besteht ein größeres Interesse des Arbeitgebers, sich präventiv vor Diebstählen, Sachbeschädigungen oder Störungen von außen zu schützen. Hier ist der allgemeine Erlaubnistat-bestand des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO heranzuziehen, da dem Arbeitgeber als Verantwortlichen die Sicherstellung des Hausrechts zu gestatten ist. Trotzdem empfiehlt es sich, Bereiche, in denen sich regelmäßig Arbeitnehmende aufhalten, automatisiert auszublenden oder zu verpixeln. So kann der durch eine Videoüberwachung erzeugte Überwachungsdruck abgemildert werden.
Kameraüberwachung von Innenbereichen des Unternehmens
Eine Überwachung von Arbeitnehmenden in Innenbereichen, also meist am Arbeitsplatz, ist nur unter sehr engen Voraussetzungen, örtlich und zeitlich begrenzt zulässig. Als Rechtsgrundlage kommen Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO und/oder § 26 BDSG in Betracht. Zudem hat der Verantwortliche nach § 26 Abs. 5 BDSG die Grundlagen der Datenverarbeitung nach Art. 5 DSGVO einzuhalten, u.a. Transparenz, Zweckbindung und Speicherbegrenzung.
Welche Bereiche im Unternehmen dürfen nicht überwacht werden
Überwiegt im Rahmen der Interessenabwägung das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeitenden, darf eine Videoüberwachung nicht erfolgen. Dies ist der Fall bei sog. Intimzonen, wie z.B. Toiletten oder Umkleideräumen. Aber auch in reinen Freizeitbereichen wie bspw. Bars, Sitzgruppen, Foyers oder Aufenthaltsräumen ist eine Videoüberwachung oft unzulässig.
Was ist vor der Inbetriebnahme einer Videoüberwachung zu tun
Bevor in einem Unternehmen die ersten Kameras in Betrieb genommen werden können, sind vorab wesentliche Punkte zu klären, dokumentieren und vorzubereiten.
Dokumentations- und Rechenschaftspflicht
Damit der verantwortliche Arbeitgeber seine Nachweispflichten erfüllen kann, ist zunächst eine Dokumentation erforderlich. Hierbei müssen die Gründe für die Videoüberwachung und die zu ihrer Erforderlichkeit führenden, konkreten Tatsachen schriftlich dokumentiert werden. Diese Dokumentation wird auch gern von den Aufsichtsbehörden geprüft.
Zu den wichtigsten Dokumentationspflichten gehört hier die Erstellung eines Verzeichnisses von Verarbeitungstätigkeiten gem. Art. 30 DSGVO. Hier sind insbesondere die Zwecke der Videoüberwachung festzuhalten. Weiterhin muss der Verantwortliche die Einhaltung der Grundsätze des Art. 5 Absatz 1 DSGVO nachweisen können (sog. Rechenschaftspflicht). D.h., der Arbeitgeber muss Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz, Zweckbindung, Datenminimierung, Richtigkeit, Speicherbegrenzung, Integrität und Vertraulichkeit der Videoüberwachung belegen können.
Bevor eine Videoüberwachung überhaupt erfolgen kann, sind u.a. folgende Punkte zu klären und entsprechend zu dokumentieren:
Hinweisschilder zur offenen Videoüberwachung im Unternehmen
Auch bei der Videoüberwachung muss eine transparente und übersichtliche Information der betroffenen Personen (hier vorrangig der Arbeitnehmenden) erfolgen. Daher müssten sich alle Pflichtangaben nach Art. 12 und 13 DSGVO auf einem Hinweisschild wiederfinden. Hierfür stellen die Aufsichtsbehörden ein rechtlich unverbindliches Muster zur Verfügung. Doch ist man ehrlich, hält sich die Übersichtlichkeit aufgrund der vielen Informationspunkte wie z.B.:
Technisch und organisatorische Maßnahmen bei der Videoüberwachung
Auch bei einer Videoüberwachung ist mit technisch und organisatorischen Maßnahmen gem. Art. 24, 25 und 32 DSGVO nachweisbar sicherzustellen, dass eine Verarbeitung nach den Vorgaben der DSGVO erfolgt. Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen sind damit zu minimieren und es ist ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten.
So sind bspw. nicht benötigte Funktionen zu deaktivieren (z.B. Audio-, Zoom- und Schwenkfunktion) und es ist sicherzustellen, dass die Datums- und Zeitangaben im Bild stets eingeblendet werden. Bei netzwerkfähigen Videokameras ist regelmäßig die Sicherheit (Firmware-Aktualisierungen, Passwortschutz, Zugriffsrechte, Benutzerkonten, etc.) zu überprüfen. Auch muss geklärt sein, welche Personen zum Zugriff auf das Überwachungssystem berechtigt sind.
Informationspflicht bei Videoüberwachung
Nach § 4 Abs. 4 BDSG-neu ist bei gegebener Identifizierung die betroffene Person über die Verarbeitung gemäß Artikel 13 und 14 DSGVO zu informieren, wobei die Einschränkungen des § 32 BDSG-neu entsprechend gelten. Damit werden die grundsätzlich bestehenden umfangreichen In-formationspflichten gemäß DSGVO in § 4 BDSG-neu nur zur Klarstellung einbezogen.
Dritte Personen müssen anhand einer Datenschutzinformation auf die Aufzeichnung aufmerksam gemacht werden. Mitarbeiter, Beschäftigte müssen einer Videoaufzeichnung mit einer Datenschutzeinwilligung (Arbeitsvertrag, oder Datenschutzeinwilligung) zustimmen. Eine Beteiligung des Betriebsrates / Personalvertretung ist dabei zu berücksichtigen.
Anlagen:
Wann ist eine heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz erlaubt
Die Videoüberwachung ist ein besonders intensiver Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten. Sie ist geeignet, das Verhalten von Beschäftigten umfassend zu analysieren. Gleichzeitig sind Beschäftigte der Videoüberwachung in einem Lebensbereich ausgesetzt, dem sie sich regelmäßig nicht entziehen können. Unter welchen Voraussetzungen eine verdeckte Videoüberwachung zulässig ist, wurde in der Vergangenheit teilweise unterschiedlich bewertet.
Voraussetzungen der heimlichen Videoüberwachung (DSK)
Die Datenschutzkonferenz (DSK) hat in der „Orientierungshilfe Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen” die Anforderungen an eine heimliche Videoüberwachung zusammengefasst. Zunächst müssen die allgemeinen Voraussetzungen an eine (offene) Videoüberwachung erfüllt sein. Tatsächliche Anhaltspunkte müssen den Verdacht begründen, dass die zu überwachende Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat. Der Verdacht muss vorliegen, bevor die Videoüberwachung beginnt.
Unzulässig ist es daher, Videoaufnahmen auf Vorrat aufzunehmen und erst bei konkretem Verdacht zu sichten. Ein solches Vorgehen ist zwar beispielsweise bei der Überwachung des Außengeländes oder Ein- und Ausgängen zulässig. In derartigen Fällen werden Beschäftigte aber auch nicht gezielt überwacht.
Da die Maßnahme heimlich durchgeführt wird, muss außerdem ein Ausnahmefall von der grundsätzlich nach Art. 13 DSGVO bestehenden Informationspflicht vorliegen. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Hinweis auf die Videoüberwachung die Geltendmachung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche beeinträchtigen würde und die Interessen des Verantwortlichen überwiegen (§ 32 Abs. 1 Nr. 4 BDSG).
Einfacher Verdacht reicht für verdeckte Videoüberwachung (BAG)
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil v. 20.10.2016 – 2 AZR 395/15) ist eine verdeckte Videoüberwachung zulässig, wenn: